Stadtgeschichte


 

Hugo Stang, Anton Ullrich, Wilhelm Ogiermann, Josef Kiefer, August Haun: Tauberbischofsheim. Aus der Geschichte einer alten Amtsstadt. Herausgegeben im Eigenverlag der Stadtverwaltung. Tauberbischofsheim, 1955

60 Jahre nach der heimatkundlichen Pionierarbeit von Julius Berberich „Geschichte der Stadt Tauberbischofsheim und des Amtsbezirkes“ von 1895 publizierte die Stadtverwaltung Tauberbischofsheim weitere Beiträge zur Geschichte dieser Stadt. Die 1200-Jahres-Feier setzte den Anlaß und die Grenze zur Publikation, d. h. der Band musste 1955 erscheinen. Durch den Tod von Josef Kiefer 1954 ergab sich in den verteilten Aufgabenstellungen eine schwere Schlagseite, die nicht behoben werden konnte. Die frühgeschichtliche Besiedlung Tauberbischofsheim, die christliche Besiedlung sowie die mittelalterliche Zeit von 800-1600 konnte ausführlich und geschlossen dokumentiert werden. Für die Zeit nach 1600 ergaben sich große Lücken. August Haun übernahm für den verstorbenen Kiefer die Aufgabe, die restlichen Geschichtsjahrhunderte bis zur aktuellen Zeit aufzuarbeiten. Dies gelang kaum. Haun ließ eine große Lücke und fing ab 1800 an, d.h. die Jahrhunderte zwischen 1600 – 1800 entfielen der historischen Aufarbeitung. Eine ausführliche Aufarbeitung der NS-Jahre Tauberbischofsheim wurde ebenfalls nicht geleistet, wenn auch einige Anmerkungen und Hinweise eingebracht wurden.

Das Buch selbst erschien in zwei Einbänden, in einem harten und in einem weicheren Umschlag. Gleich auf den ersten Seiten tritt uns in einem Farbdruck das Gemälde entgegen, das Tauberbischofsheims größter Schatz und größter Verlust ist: Die Tauberbischofsheimer Tafel von Mathis Gothardt Neithardt gen. Mathias Grünewald mit  Christus am Kreuz, für den Kirchenneubau an die Kunsthalle in Karlsruhe verschachert. Ogiermann versucht anhand der Aktenlage den Pfarrer und Altaristen Friedrich Virnkorn als Auftraggeber für die beiden Bilder der Tauberbischofsheimer Tafel, dazu gehört noch die Kreuzschleppung Christi, zu fixieren und gibt Möglichkeiten an, wie Virnkorn Grünewald am Aschaffenburger Sitz des Mainzer Bischofs hätte treffen können. Virnkorn wird als edelmütiger Stifter und Geldgeber beschrieben, dennoch bleibt die Motivlage im Unklaren. Völlig im Unklaren ist Ogiermann über das, was das Grünewaldsche Bild uns sagen will. Die Entstehungszeit der beiden Bilder ist auf die Jahre vor dem Bauernkrieg zu datieren. Längst ist Grünewald seinem bischöflichen Herren und Auftragsgeber in religiösem Sinn entwichen, Grünewald ist auf Seiten der Reformation, ist auf Seiten der unterdrückten Bauern. Christus am Kreuz ist in der Tauberbischofsheimer Tafel nicht mehr der Jesus, der gekreuzigt wird, er ist der gepeinigte Bauer seiner Zeit. Der zerschundene Körper, die völlig irrealistisch verdrehten, gemarterten Füße, das sind die Schmerzen der Gepeinigten und die Gepeinigten sind die Bauern, die wenige Jahre später den Aufstand gegenüber den Peinigern wagen werden.

Die Rolle Tauberbischofsheims und der Tauberbischofsheimer während des Bauernkrieges gibt Ogiermann anhand einer guten Quellenlage recht ausführlich wieder. Er beschreibt das zunächst vorsichtige Taktieren der Ratsherren und dann nach Einigung mit dem Taubertaler Haufen die Versuche Tauberbischofsheims, einen eigenen Haufen der 9-Städte im Mainzer Oberstift aufzustellen, d. h. die weiteren wichtigen Städte im Oberstift auf die Seite der Bauern zu bringen. Leider gibt Ogiermann den Bericht des Tauberbischofsheimer Bürgermeisters Andreas Aichhorn nicht vollständig an, der in 34 Artikeln einen „Bericht der von bischoffsheim irer handelung der bawrschafft“ vorlegt, in dem die Gründe aufgeführt werden, warum Tauberbischofsheim auf die Seite der Bauern trat. Wunderschön wird die Tauberbischofsheimer Fußdemokratie in Prosa gefasst: „Da tratten sie alle eynhelliglichen uff die seitten.“ Es wurde auf dem Marktplatz eine Abstimmung derart durchgeführt, dass wer von den Einwohnern auf der Seite des Bischofs, beim Statthalter, beim Erzstift verharren wolle, der solle stehen bleiben. Die Tauberbischofsheimer schritten damit zur Bauernbewegung, zum Aufstand gegen den Mainzer Bischof. Bischofsheim pfiff auf den Bischof der Stadtnamensprägung. Der rächte sich mit seiner nach der Niederschlagung des Bauernkrieges den Tauberbischofsheimer vorgesetzten Stadtreformation von 1527 mit von Ogiermann fast vollständig dokumentierten 79 Artikeln. Die Sonderrolle Tauberbischofsheim im Bund der 9-Städte wurde aufgehoben, alle ständischen Rechte innerhalb der Landschaft des Mainzer Oberstiftes gingen verloren. Das Amt des Bürgermeisters und der Rat wurden beseitigt, zwei auf den Erzbischof verpflichtete Regentmeister (Rentmeister) und ein Stadtschultheiß traten an ihre Stelle, ein Rat von Erzbischofs Gnaden wurde eingesetzt. Selbst die Zünfte der Stadt verloren weitgehend ihre Rechte und waren den erzbischöflichen Beamten rechnungspflichtig. Adieu Tauberbischofsheimer Selbstverwaltung – für Jahrhunderte!

Zwischen diktiertem Vertrag, der sich (Stadt)Reformation nennt, und dem realen Verhalten der das Diktat Anzunehmenden klafft eine große Lücke. Das Visitationsprotokoll von 1549 gibt folgende Auskunft: „Der Pfarrer beklagt sich laut Protokoll über seine Gläubigen: sie missachteten die Anordnungen des Erzbischofs, kämen unregelmäßig zum Gottesdienst, besuchten zur Zeit desselben die Wirtschaften und trieben an Festtagen verbotenen Handel. Einige Pfarrangehörige hätten seit drei und vier Jahren nicht mehr kommuniziert, mehrere hätten Schriften Luthers in ihren Familien.“ (S. 293) 1555 will sich der Pfarrer Paulus Jörg verheiraten. 1596 ergeht ein Bericht, dass die Geistlichen im Taubergau „ohn alle forcht“ in Ehegemeinschaften leben. Erst einige Jahre später war in der katholischen Kirche Tauberbischofsheims und seiner Umgebung die Haushaltsführung der Pfarrer wieder „ehrbar“. Es ging in Tauberbischofsheim also nicht immer alles so katholisch zu, wie es das Sittenbild des Tauberbischofsheimer Katholizismus projiziert. 

Gern hätte man mehr von Ogiermann über die Weinbruderschaft der Häcker in Tauberbischofsheim gelesen. In einem Bericht von 1602 wird sie als verarmt bezeichnet. Nicht nur die St. Urbanisten-Bruderschaft war verarmt, auch die sie tragende Bevölkerungsschicht der Häcker, die als Tagelöhner in den Weinbergen der Besitzenden (Stifte, Hospitale, Adlige, Bürger, Klöster, Kirchen usw.) arbeiteten. Ogiermann erwähnt (S. 361), dass die Häcker als große Schicht im sozialen Gefüge der Stadt von den Stadtoberen berücksichtigt werden mussten. „Einmal versuchten sie sogar eine gewaltsame Erhebung gegen die Obrigkeit.“ Ogiermann führt nicht näher an, was für eine Erhebung dies war und wann sie stattfand. Oder meinte er den Bauernkrieg? 

Die Stadtgeschichte nach 1800 wird mehr als Geschichte von Männern, besonders der jeweiligen Bürgermeister (und Pfarrer) dargestellt. Die 1848/49er Jahre werden bis auf die immer wieder gern erzählten Anektoden um den Türmersturm-Retter Zugelder und dem in der Tauberbischofsheimer Stadtkirche Josef Buß entgegen gedonnerten Bekenntnis: „Auch ich bin ein Wühler!“ übersprungen. Leider wird in Tauberbischofsheim inzwischen viel zu wenig gewühlt. Auf NS-Aktivitäten wird im Zuge der Absetzung des Bürgermeisters Diebold eingegangen. Die Jahre des NS-Bürgermeisters Wilhelm Vollrath, des ehemaligen Kreisleiters der NSDAP im Kreis Tauberbischofsheim, von 1936-1945 werden in wenigen Zeilen inhaltslos umschrieben. Warum war das Schicksal der Tauberbischofsheimer Juden in dieser Stadtgeschichte nicht erwähnenswert? Wie die NSDAP in Tauberbischofsheim gewirkt hat, bleibt völlig offen. Das Heranrücken des Kriegsgeschehens im März 1945 wird ausführlich dargestellt. Das Volkssturmbataillon Tauberbischofsheim, nominell 750 Mann stark, wurde am Tage des Einmarsches der US-Amerikaner alarmiert, „in Erkenntnis der ‚Gefechtslage’ zogen es aber die Volkssturmmänner vor, nicht anzutreten oder wenigstens nicht auszurücken.“ (S. 454). Von zeitgeschichtlichem Wert sind die Tagebuchaufzeichnungen von Josef Kiefer, die leider erst ab dem März 1945 berichten. Leider scheinen die Tagebuchaufzeichnungen ungekennzeichneten redaktionellen Überarbeitungen unterworfen zu sein, so dass nicht eindeutig ist, wie die Originalaufzeichnungen Kiefers lauten. Gern würde man Tagebuchaufzeichnungen aus der gesamten NS-Zeit Tauberbischofsheims lesen. Tauberbischofsheim ist in den Märztagen 1945 zu einem Durchgangslager der sich chaotisch zurückziehenden deutschen Truppen geworden. Das Tauberbischofsheimer Konvikt war seit August 1941 zum Lazarett umgewandelt worden und hatte teilweise eine Belegung von 600 Mann Verletzten. Am 24. März zogen die Insassen der geräumten Lazarette in Heidelberg durch Tauberbischofsheim. Kiefer schreibt zu diesem für die Beobachter entsetzlichen Anblick der Verwundeten, die zum großen Teil zu Fuße durch die Stadt ziehen mussten: „Ihr Anblick wirkte auf das deutsche Gemüt wie ein Keulenschlag, niederdrückend und herzzerreißend. … Eine innere Wut packt den deutschen Menschen, der hier mitansehen muß, wie eine unselige Führerschicht das deutsche Volk in dieses schreckliche Elend hineingeführt hat.“ (S.456) Wie der Anblick der Tauberbischofsheimer Juden, die z. B. im September 1939 aus ihren Wohnungen geholt und durch die Stadt getrieben wurden, auf „deutsche“, auf christliche Tauberbischofsheimer wirkte, bleibt die Tauberbischofsheimer Stadtgeschichte von 1955 leider schuldig. Auch wenn es von einem offenem Widerstand nichts Berichtbares gibt, aber dennoch waren viele der vom Katholizismus überzeugten Tauberbischofsheimer nicht auf der Seite der NSDAP. Und einige wagten auch den „kleinen“ unbemerkten Widerstand: Die im Gemeindehaus eingesperrten Tauberbischofsheimer Juden wurden mit Lebensmittel, die heimlich über die Mauer geworfen wurden, versorgt. Auch jüdische Geschäfte, vor denen SA-Männer breitärschig sich platzierten, wurden durch die Hintertür von Einkäufern weiterhin zum Einkauf besucht. Gern hätte man auch vom alltäglichen Umgang der Tauberbischofsheimer Christen und Juden in diesem Buch gelesen. Die Chance, Alltagszeugen und Alltagszeugnisse, mit in die Stadtgeschichte aufzunehmen, wurde bis auf wenige Ausnahmen vertan. Aus Kiefers Tagebuchaufzeichnungen erfährt man im Nebenbei, dass im Jägerhäuschen des Tauberbischofsheimer „Schlosses“ monatelang eine Abteilung der Gestapo sich einquartiert hatte. „Von der Tätigkeit dieser Männer hat man sich in Tauberbischofsheim mancherlei erzählt.“ Leider geht auf dieses „mancherlei“ die Stadtgeschichte nicht weiter ein. Am 28. März werden in Tauberbischofsheim die NSDAP-Parteifahnen eingezogen, die Führerbilder werden abgehängt, die Hakenkreuze verschwinden. Das Kreuz des Katholizismus hat wieder symbolisch in Tauberbischofsheim die Jahrhunderte alte Vormacht übernommen.

Die Verfasser der Tauberbischofsheimer Stadtgeschichte räumen zum Schlusswort ein, dass vieles aus der „reichen“ Geschichte Tauberbischofsheims aus Zeitnot nicht dargestellt werden konnte und überlassen „die Fortsetzung einer späteren Zeit“. Eine fast 600 Seiten starke Stadtgeschichte, in einer kleinen Schrifttype gedruckt, ist kein Anzeichen dafür, dass die Verfasser einen Mangel an Quellen hatten. Haun hatte mit Sicherheit den schwierigsten Part der Stadtgeschichte zu übernehmen. Nach Kiefers Tod hatte August Haun nur noch wenige Monate Zeit, seine Arbeiten zu vollenden. Zudem liegt sein Hauptaugenmerk auf dem Versuch, den Brückenschlag zur aktuellen Zeit, in der sich Tauberbischofsheim befand, zu wagen, also dass Geschichte in Gegenwart übergeht. Da blieb leider viel liegen, was ein Kritiker gern gelesen hätte und aufgrund des Fehlens entsprechend beurteilt. Und ein Buch, zu dem wie die Tauberbischofsheimer Stadtgeschichte von 1955, oft gegriffen wird, um nachzuschlagen, nachzulesen, sich Details zu vergewissern, kann kein Schlechtes sein! Über die Zeitgebundenheit von Menschen ist immer leichter zu urteilen als über die eigene zeitgenössische Situation, die sich gern der Selbstkritik entzieht.


 


 


 


 


 


 

Norbert Höbelheinrich: Die neun Städte des Mainzer Oberstifts. Ihre verfassungsgemäße Entwicklung und ihre Beteiligung am Bauernkrieg. 1346-1527. In: Zwischen Neckar und Main. Heimatblätter des Bezirksmuseums Buchen e. V. 18 Heft. Verlag des Bezirksmuseums Buchen. Wiesbaden 1939. Eine unveränderte Neuauflage erschien im Georg Olms Verlag. Hildesheim – Zürich – New York 1994.

Die Arbeit Höbelheinrichs wurde 1938 als Dissertation von der Philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt a. M. angenommen, ohne erkennbare sprachliche Anpassung an damalige Zeiten. Die Dissertation teilt sich in zwei wesentlich Teile auf: die Entwicklung des Bundes der 9 Städte als bestimmender Faktor in der Landschaft des Mainzer Oberstiftes und die Rolle der Korporation der 9 Städte während des Bauernkrieges und die Zerschlagung dieses Korporation infolge der Niederlage der aufständischen Bauern und Bürger. Letztendlich führte die Zerschlagung der Landschaft innerhalb des Mainzer Kurstaates zum Verfall des Kurstaates, der zwar sehr früh absolutistisch regiert wurde, aber durch die Beseitigung der Selbstverwaltung entwickelnden Landschaft nun auch die kleinsten Dinge und Streitigkeiten von oben nach unten regeln musste. Der Kurmainzer Oberstift verlor mit der Beseitigung des 9 Städte Bundes den Basiskontakt von unten nach oben, verlor die bürgerliche Selbstverwaltung und stand damit seiner eigenen regenerativen Selbstmodernisierung im Wege und war 1803 ein völlig morscher Stamm, der wiederum seiner napoleonisch bedingten Beseitigung keinerlei Widerstand entgegensetzen konnte. Die Aushöhlung des Mainzer Oberstiftes von 1525 bis 1803 entsprach auch einer Auslaugung der bürgerlichen Kräfte und Selbstentfaltung. Mit dem Ende des Kurmainzer Oberstiftes ging das Gebiet weitgehendst in die lang anhaltende, lange Zeit sich auswirkende Provinzialisierung dieser Region über.

Höbelheinrich hat zudem das Verdienst, den Verlauf Bauernkrieg in Franken mit dem Fränkischen und dem Odenwälder Haufen weitergehend erklären zu können, als dies bis dahin erfolgt war. Erst mit dem Bemühen des 9 Städte Bundes, forciert vor allem durch Tauberbischofsheim, ist das Verhalten der beiden Haufen erklärbarer geworden. Schließlich versprach Tauberbischofsheim mit der Bildung eines eigenen Haufens der 9 Städte im Mainzer Oberstift den Anschluß des Oberstiftes an die Evangelische Reformation. Insofern ist die Dissertation Höbelheinrichs ein wichtiger, allerdings oft noch unterschätzter, zu wenig beachteter Beitrag zur tauberfränkischen, zur fränkischen Regionalgeschichte, aber auch besonders zur Tauberbischofsheimer Stadtgeschichte.

Höbelheinrich verdeutlich das zunächst abwartende Verhalten der Tauberbischofsheimer Stadtführung, die trotz Aufmahnung durch die beiden Bauernhaufen, sich der christlichen Reformation anzuschließen, zögerlich blieb. Allerdings übten die umliegenden Amtsdörfer Druck auf die Amtsstadt aus, letztendlich führte der innerliche Abfall der eigenen Bürgerschaft, insbesonders der Weinhäcker Tauberbischofsheim zum Übertritt zur revolutionären Sache. Die Flucht der mainzischen Amtmänner aus der Stadt erleichterte den Entschluß ins Lager der Aufständischen überzugehen. Tauberbischofsheim führte mit dem Taubertaler Haufen, besonders mit Florian Geyer verschiedene Verhandlungen, die zur Selbstverpflichtung Tauberbischofsheim führten, einen eigenen Haufen der 9 Städte als führende Korporation im Mainzer Oberstift aufzustellen und zudem den Grafen von Wertheim ebenfalls zum Anschluß an die christliche Reformation zu bringen. Mit dieser Verpflichtung Tauberbischofsheim wurde für den Taubertaler Haufen der Weg nach Würzburg frei, da entlang der Tauber entsprechende Verpflichtungen auf die Sache der Bauern nun vorhanden waren und das Mainzer Oberstift durch die Tauberbischofsheimer Bemühungen zum Anschluß bereit schien. Der Tauberbischofsheimer Plan, einen eigenen Haufen der 9 Städte aufzustellen, passt durchaus in bisherige Politik dieser Selbstbestimmung entwickelnden Korporation. Allerdings zeigten sich die anderen Städte des Bundes, da nicht direkt bedroht von Bauernhaufen, zunächst noch wenig willig und schlossen sich teilweise erst nach dem Heranzug bzw. Einzug des Odenwälder Haufens ins Mainzer Oberstift an. Insbesondere war es auch ein Versuch der bisherigen Tauberbischofsheimer Stadtführung sich selbst in der Position zu halten und nicht die Macht in der Stadt abgeben zu müssen. In der Anlage gibt Höbelheinrich sämtliche 34 Punkte des Berichtes „der von Bischoffsheim irer handelung der bawrschafft“, ein wichtiges Dokument der inneren Beweggründe, die zum Abfall vom kurmainzischen Statthalter und zum Anschluß an die evangelische Reformation führten. Diese erklären auch die scharfe Reaktionen des Statthalters Wilhelms und des Erzbischofes Albrecht II:, die nach dem Ende des Bauernkrieges die bürgerliche Selbstverwaltung Tauberbischofsheims „köpften“ und für die Fortdauer des Mainzer Oberstiftes bis 1803 beendete.






Ulrich Wagner: Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim. Eine Analyse der Raumbeziehungen zweier Städte in der frühen Neuzeit. Heidelberger Geographische Arbeiten. Heft 4. Im Selbstverlag des Geographischen Institutes der Universität Heidelberg, Heidelberg 1985


Eine unheimlich wichtige, sehr gelungene Arbeit zur Analyse der historischen Räume zweier Städte Tauber-Frankens, Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim, hat Ulrich Wagner in seiner Dissertation im Rahmen der historisch-geographischen Forschung abgeliefert und damit auch der tauberfränkischen Geschichtsforschung praktisch zum Geschenk gemacht. Im historisch-genetischen Vergleich des Verhältnisses zweier Kleinstädte zu ihrem umgebenen Raum werden die unterschiedlichen Entwicklungen Tauberbischofsheims und Bad Mergentheim in der Zeitepoche von  ca. 1300 bis 1803, bis zum Ende des Kurmainzer Oberstiftes, zu dem Tauberbischofsheim gehörte, bis zum Ende des Deutschordenstaates, zu dem Bad Mergentheim gehörte, systematisch dargestellt deutlich. Angenehm wohltuend ist, dass sich Ulrich Wagner nicht in der geographischen Fachsprache verstrickt, so dass diese Arbeit für jeden tauberfränkischen Geschichtsinteressierten lesbar ist und im Grunde genommen einer weiteren Veröffentlichung durch einen tauberfränkischen Verlag bedürfte! Genauso wichtig wäre einer weitere Forschungsarbeit, die im selben Rahmen die Entwicklung der beiden Kleinstädte und ihre räumliche Auswirkungen von 1803 bis heute ebenso systematisch analysiert.

Allerdings werden die umfangreichen historisch-geographischen Analysen der sich entwickelnden Zentralität der beiden Amtsstädte und deren Auswirkungen auf den jeweiligen räumlichen Nahbereich teilweise auf einer mangelnden Grundlage von Daten durchgeführt, da entsprechende Akten verloren gegangen sind bzw. vernichtet wurden. Wagner stellt anhand der Territorialgeschichte dar, wie sich die jeweilige Amtstadt in das Territorium des Kurmainzer Oberstiftes bzw. in den Deutschen Orden eingliederte und Amtfunktionen annahm und erweitern konnten und das trotz mancher Verpfändungen wie z. B. Tauberbischofsheim an andere Herrschaften, da der Mainzer Oberstift an finanzieller Klammheit nicht mangelnde. Dennoch versuchten die Herrschaften, ihr Herrschaftsgebiet einheitlicher zu arrondieren, d. h. Fremdrechte aufzukaufen bzw. auszuschalten, was bei dem historisch bedingten Streubesitz erhebliche Schwierigkeiten machte. Wagner zeichnet mit vielen Schaubildern die Entwicklungen der administrativen, der gerichtlichen, der kirchlichen, der kulturellen, der medizinischen, der wirtschaftlichen Funktionen und zudem mit den Entwicklungen von Märkten, der Ausweitung von Handel und Verkehr sowie anhand der Bevölkerungsentwicklung die entfaltende Zentralität der Amtsstädte nach. Tauberbischofsheim konnte eine fast beispielhafte Zentralität auf seinen Nahbereich erzeugen, wurde allerdings im Süden durch Lauda in der regelhaften Entfaltung der Zentralität eingeschränkt, ebenso wirkte sich im Marktwesen der regional bedeutende Jahrmarkt von Königshofen einschränkend aus. Unklar bleibt allerdings Wagner, wieso Tauberbischofsheim im Mainzer Oberstift eine teilweise höhere Steuerkraft als das wesentlich größere Aschaffenburg entwickeln konnte, wieso es fast 20% der Gesamtschatzung der Neun Städte leisten konnte, wieso es fast das 7fache der Steuer Buchens aufbringen konnte. Leider unterlässt es Wagner, die erhebliche Bedeutung des Weinanbaus und des Weinhandels im Taubertal entsprechend zu untersuchen und darzustellen, was diese Steuerkraft hätte besser erklären können.

Wagners historisch-geographische Untersuchung verdeutlicht die historisch gewachsene Persistenz von Kleinstädten, die einmal Zentralität und Oberamtsfunktionen gewonnen haben. Trotz Reformen, Funktionsverlagerungen gelingt diesen Kleinstädten in der langfristigen Tendenz immer wieder ihre Zentralität zu steigern.