Hugo Pahl




Hugo Pahl: Bischemer Bösi Buwe. Ein Heimatbuch. Ein Sammelsurium besinnlicher und lustig-heiterer „Gschichtli, Bildli, Liedli und Gedichtli“ aus Tauberbischofsheim und Umgebung. Ausgegraben und zusammengereimt, nacherzählt, bebildert und zusammen geleimt von Pankraz Bonifaz Schelch. Selbstverlag. Tauberbischofsheim 1955
 
Ein wahres Sammelsurium liefert dieser 98seitige Band über Büscheme. Wie bei einem Heimatbuch üblich, ein uneingeschränktes Lob des Lokalen, das als einzigartig gepriesen wird und es nirgends anders so gibt. Das behaupten selbstverständlich viele Autoren, die sich einer Kleinstadt, einem Dorf, heimatkundlich annähern und dieser durch Herkunft verbunden fühlen. Trotz dieser notwendigen Relativierung dieses Einzigartigen zeichnet sich doch jeder Ort durch seinen Eigensinn, örtlich ausgeprägten Humor aus. Die „Bischemer Bösi Buwe“ widmen sich hauptsächlich dem besonderen Büschemer Humor, der vor allem ein Humor der Unterschichten ist. So resigniert auch vielfach die eigene Existenz der unterschichtigen Büschemer Provinzialität geführt wurde, aus der es selten ein Entrinnen, letztendlich nur doch durch den Tod, gab, im Humor, in den Sprüchen, entstand etwas Besonderes, der über den zyklisch ablaufenden Alltag weit hinüber reichte, den kurzlebigen Funkenschlag von Höherem erzeugte, mit der Pahlschen Niederschrift Ewigkeitswert erlangte.
 
Nicht jeder in diesem Bändchen aufgezeichnete Spruch ist wirklich gut, dazu hat Hugo Pahl in seiner überquellenden Heimatfürsorge alles Büschemerische für zu wichtig gehalten und zu wenig ausgewählt. Aber dieses Bändchen ist eine wertvolle Ergänzung zu den büschemerisch gehaltenen Gedichten von Josef Dürr. Die Büschemer Kleinstadtphilosophie Pahls manifestiert sich im Essay „Das ist unser Bischeme“, die dichterische Überhebung im Gedicht „Mej Bischeme“. Der „Bischemer an sich“ ist unterschichtig, kleinbäuerlich, ackerbürgerlich angelegt: „Diese Heimat hat den Bischemer geprägt, und er hat durch die Jahrhunderte an ihr gearbeitet und auch sie gestaltet. Man kann sagen, so etwas, wie die gewundenen Straßen und Gässchen, wie die spitzgiebeligen Häuschen mit ihren Kanten, Ecken und Winkeln, dann aber auch etwas, wie die freie, helle, hügelige Landschaft mit ihrem Charakteristikum der wahllos zusammengewürfelten kleinen und kleinsten Felder, die – mühsam zu bebauen – kleine Verhältnisse anzeigen und sofort nach der Sommerernte schon leicht herbstlich schwermütig aussehen, so etwas hat der Bischemer an sich. Und seine Muttersprache, die sich bei den ‚Bischemer Bösi Buwe’ meist schollig und herb zeigt, lässt nicht minder auch warme, herzliche und heitere Töne zu“ (Seite 6).
 
Diesen Büschemer, dieses Büscheme gibt es heute nicht mehr. Längst hat die Stadtsanierung in der „Dörgei, Walachei, Bolagei, Mongolei“ und in „Klein-Venedisch“, den Tauberbischofsheimer Kleinstadtquartieren der Häcker, Ziegenbauern, Knechte und Mägde generell aufgeräumt, die ausgebliebenen Stadtzerstörungen des 2. Weltkrieges nachgeholt, überholt. Die wirtschaftliche Entwicklung nach 1945 hat auch den Lebensstil der Büschemer Unterschichten verändert, modernisiert. Längst ist die Dörgei multikulturell dominiert, mit neuen Wohnhäusern auch für andere Schichten wieder als zentrumsnahe Wohnungen interessant geworden. Pahl hat keinen soziologisch scharfen Blick, vertieft sich nicht in der Analyse der Kleinstadt, sucht nicht nach unterscheidenden Schichtenmodellen, - von Carlheinz Gräter wurde er gar als Träumer charakterisiert - er schaut auf den Büschemer an sich, sammelt Begriffe, Bezeichnungen, Sprüche. Da es diese heute vielfach nicht mehr gibt, nicht mehr geäußert werden, hat Pahls Sammelsurium einen bleibenden Wert, ist eine einzigartige Dokumentation, ist ein wertvolles Dokument des Lebens und Arbeitens der Tauberbischofsheimer Unterschicht, wie es sich besonders in „Aus der Bischemer Dörgei“ widerspiegelt. Die Holzschnitte Pahls sind den krummen kleinen Häusern, deren geduckter Haltung entsprechend. Wer sich dem früheren „Büschemer an sich“ nähern will, greife zu diesem Band!


Das Buch ist inzwischen äußerst selten. Kaum antiquarisch zu erlangen. Leider versäumte man es 2015 zum 60igsten Jahrestag der Erstausgabe eine neue Auflage der Bischemer Bösi Buwe aufzulegen. Eine Wiederkehr dieses Büschemerischsten Buches nach Büscheme ist äußerst wünschenswert und notwendig. Auch in den nun wesentlich weiter fortgeschrittenen Jahren mit neuer Perspektive auf 2025.