Büschemer Geleit

Von der Warte auf dem Höhberg hieß es, dass der hiesige Türmer dem Türmer auf der Grünsfelder Warte auf dem Schalksberg / Besselberg stehend, Zeichen geben konnte. Aber warum sollte dies ein Türmer auf einem Bischofsheimer Turm tun? Ein Kurmainzer gab einem Rienecker bzw. Leuchtenberger Signale? Kurmainz und die Grafschaften Rieneck bzw. Leuchtenberg waren unterschiedliche Territorien. Dennoch es gab etwas, was beide miteinander verband. Zumindest einige Zeit lang. Das Geleit. Das Geleitrecht.


Bischofsheim war Geleitstation. Es lag an wichtigen Verkehrslinien. Der von Nürnberg nach Frankfurt. Auf der die Nürnberger Kaufleute mehrfach im Jahr in großen Zügen verkehrten. An der Straße nach Würzburg. An der Straße entlang der Tauber in Richtung Mergentheim. An der Straße entlang der Tauber in Richtung Wertheim. Und an der Tauber als Transportweg für schwerfällige Güter, die mit Schelchen nach Wertheim transportiert wurden, und weiter nach Miltenberg, um der Höhenfahrt nach Külsheim zu entgehen. Kaufleute aus Augsburg nutzten ebenfalls diese Routen. Oder auch Dinkelsbühler, Nördlinger und Rothenburger Kaufleute. Es gab zudem sogenannte Weinstraßen. Z. B. die von Königheim nach Miltenberg, die größtenteils mit der Geleitstraße identisch war. Nicht zu vergessen die Strecke von Bischofsheim Richtung Walldürn / Buchen. Selbstverständlich gab es neben den Geleitstraßen auch Wege mit kleinregionaler, lokaler Bedeutung.


Die Geleitstraße von Frankfurt führte über Miltenberg - Tiefental - Külsheim nach Tauberbischofsheim. Lange Zeit verlief sie über den Laurentiusberg, die Grünsfelder Tannen nach Grünsfeld. Von dort aus in Richtung Zimmern - Vilchband - Knäbleinskreuz - Simmringen - Gelchsheim - Aub - Windsheim. Später zuerst von Bischofsheim auf der besser ausgebauten Tauberstraße nach Gerlachsheim; von dort über Kützbrunn nach Vilchband und dann wieder auf die alte Trasse. Dann gelang es Würzburg, den Verlauf des Geleitweges mehr über ihren Herrschaftsbereich zu sichern. Dann war im Kalten Loch bei Kist der Geleitwechsel, später bei den Geleitsäulen im Irtenberger Forst zwischen Würzburg und Mainz.


Die Geleitwege waren durch Geleitsteine gesichert. Auf den Büschemer Geleitsteinen war BD - Biscofesheim Ductus - eingemeißelt. Gehrig / Müller schreiben: "An den Grenzsteinen der alten Handels- und Geleitstraße bei Großrinderfeld standen einst die Buchstaben BD, was „Bischofsheimensis Ductus" (Bischofsheimer Geleit) bedeutet." (Seite 217). Leider ist unklar, woher das Wissen um diese besonderen Geleitsteine bei Großrinderfeld kommt, da keine Quellenangabe mitgeteilt wird. Der Geleitweg bei Großrinderfeld hat sich im Laufe der Jahre mehrfach geändert, einen anderen Verlauf genommen. Was eine Suche nach solchen Steinen erschwert. Eingefunden hat sich bisher noch keiner der BD Steine. Hätte man die BD Steine 4 Meter hoch wie die Geleitsäulen von Irtenberg gesetzt, wären diese sicherlich schon gefunden worden. Sie wären aber auch ein besonderes Schmuckstück z. B. in der Grenzsteinsammlung des Tauberfränkischen Landschaftsmuseums.


Mit den Wertheimern gab es an einigen Stellen Auseinandersetzungen, wo der Geleitweg verlief. 1790 kam es bei Kleinheubach zur Schlacht von Kleinheubach. Zur sogenannten. Die paar Kleinheubacher, die sich dem Geleitzug zur Kaiserkrönung entgegenstellten, da der Geleitzug die andere Mainseite nehmen sollte, wurden von den Hunderten aus dem Amt Miltenberg beiseite geschupst, mit Maulschellen versehen. Das Kleinheubacher Schloss verlor bei der Auseinandersetzung einige Fensterscheiben durch Steinwürfe von außen.


Lange war der Spessart ein absolutes Verkehrshindernis. Nachdem eine Chausseestraße nach 1740 durch ihn geführt wurde, hatte Würzburg großes Interesse - da diese neue Chausseestraße im würzburgischen Herrschaftsbereich verlief - den Handelsverkehr weg von Bischofsheim zu leiten. Kurmainz hatte daran allerdings kein Interesse, obwohl es vertragliche Übereinkünfte mit Würzburg hatte. Kurmainz sabotierte vielfach die neue Chaussee, da es den Geleitverkehr weiterhin im Kurmainzischen behalten wollte. Deshalb wurde der Anschluss der neuen Chaussee im würzburgischen Spessart baulich schlecht ausgeführt. Fuhrleute trafen auf Sperren, an denen Schilder angebracht war, dass der Geleitweg von Nürnberg nach Frankfurt über Bischofsheim führte. Allerdings litt die Chaussee im Spessart über den dortigen Holztransport, der diese recht schnell in einen sehr schlechten Zustand versetzte. Man ging von kurmainzischer Seite aus sehr problematisch mit seiner Kundschaft um, versäumte es, auf der von Kurmainz bevorzugten Strecke über Bischofsheim für gute Straßenverhältnisse zu sorgen. Und errichtete erst im späten 18. Jahrhundert die Geleitstraße über Bischofsheim als Chaussee. So verlor die Strecke Nürnberg - Bischofsheim - Frankfurt nach den Länderneubildungen unter Napoleon ihre Bedeutung, da sich die Handelswege veränderten.


Der badische Staat versuchte ebenfalls durch den Ausbau von Fernwegen wie den von Heidelberg über Königheim nach Bischofsheim, weiter über Großrinderfeld nach Würzburg Verkehre im eigenen Land zu behalten, zu steuern. Postlinien verliefen dann wieder über Bischofsheim. Bei der Eisenbahn lief der Verkehr erneut an Bischofsheim vorbei.


Wo genau manche der Geleitwege auf der Bischofsheimer Gemarkung genau verliefen, ist an einigen Stellen noch unklar. Der Geleitweg über den Laurentiusberg, die Steig ist klar nachvollziehbar. Bei den Grünsfelder Tannen nicht mehr eindeutig. Nahm er dann den Weg über bzw. auf den Besselberg? H. Beierstettel ist den Hohlwegen und Gräben durch die Grünsfelder Tannen nachgegangen. Es gab möglicherweise aufgrund der steilen Steigungen mehrere Wegvarianten. Hohlweg 2 - Hohlweg 3 - Graben 4 / 5 und weitere Hohlwege. Vermutlich wurde wenn einer der Hohlwege schlecht passierbar war auf einen andere Weg gewechselt. Es gibt also an schwierigen Stellen wie Steigungen, Gefälle nicht die eine Geleitstrecke.


Der Geleitweg über die alte Würzburger Straße scheint eindeutig zu sein. Auf den alten Karten verläuft er aber an Großrinderfeld vorbei oder auch durch Großrinderfeld hindurch. Welchen Weg nahm der Geleitweg Richtung Külsheim? Ging er über den Sprait und Hottenloch? Das Tor der Vorstadt, das ungefähr beim Alten Gymnasium stand, hieß Miltenberger Tor. Das setzt stark, dass der Verkehr nach Miltenberg auch durch dieses Tor ging. Es war auch der Hauptverkehr TauberBischofsheims. Wenn er durchs Miltenberger Tor ging, dann ging er mit hoher Sicherheit entlang der heutigen Straße nach Külsheim. Der Weg hat ja den Vorteil, ziemlich hochwasserfrei zu sein. Der Brehmbach liegt höhenmäßig weit tiefer. Nahm man Richtung Königheim den Weg über den Stammberg und das Appental? Hier bleiben noch einige Fragen offen bzw. zu klären. In alten Karten ist noch eine fast geradeaus verlaufende Steige entlang des heutigen Kirchenweges an der evangelischen Kirche vorbei zu sehen. Der dann auf den Weg am Richtschwertkreuz mündete. Wie wo anders auch, gab es bei den schwierigen Geländebereichen Alternativstrecken. Der Weg könnte zudem auch der Totenweg für die Dienstädter gewesen sein, die hier Ihre Verstorbenen auf den Friedhof an der Peterskapelle brachten. Möglicherweise auch ein jüdischer Totenweg für die Bischofsheimer Juden, die zum Friedhof nach Külsheim mit ihrem Leichenzug mußten. MIt der Chausseesierung verlief die Geleitstraße von Bischofsheim Richtung Miltenberg endgültig über die heutige Külsheimer Straße. Die steile Geleitstrecke über den Sprait war allerdings schon vor der Chausseesierung so stark unbefahrbar, dass der Geleitverkehr nun Mitte des 18. Jahrhunderts entlang des Weges zwischen Hottenlochshohle und Hottenlochsweinbergen geleitet wurde, also die heutige Külsheimer Straße, deren Ausbau allerdings nun weniger Auskunft über den damaligen Schwierigkeitsgrad der Strecke gibt.


Götz von Berlichingen überfiel einen Geleitzug der Nürnberger mit über 100 Reisigen. Von anderen befreundeten Adligen zusammen geholt. Das verdeutlicht auch, welche Wagenmengen, Menschenmengen in einem Geleitzug unterwegs waren. Auch nahe Mergentheim wurde ein Nürnberger Geleitzug 1513 - in Richtung Bischofsheim unterwegs - Opfer einer Attacke des Götzes. Bei einer Messe - wie in Frankfurt - erfolgten Geleitzüge in einem Abstand von einigen Tagen. Damit die Geleitreiter auch jeweils wieder den nächsten Geleitzug beschützten konnten. 


Das Geleit war eine wichtige Einnahmequelle. Deshalb stritten sich durchaus die Herrschaften um das Geleitrecht. Dieses bedeutete aber auch, die Wege instand zu halten. Allerdings waren die Wegeverhältnis lange Zeit sehr schlecht. Erst mit den Chausseestraßen nach französischen Vorbild entwickelten sich die heutigen Kunststraßen, wie auf einem Damm sich über das normale Geländeniveau erhebend. Entwässerungsgräben an den Seiten. Also Abkehr vom jahrhunderte alten Prinzip der engen Hohlwege. Mit Bodenerosion. Mit oft sehr schlammigen, aufgeweichtem Untergrund bei den feuchten, nassen Stellen. Also Abkehr vom alten Wegeprinzip, berghoch fast immer mit den höchsten Steigungsgraden zu führen. Und auch der Weg wurde nun nicht mehr selbst zur Entwässerung genutzt. Man bewegte sich im Geleitzug oft nur wenige Kilometer am Tag vorwärts, besonders bei großen Steigungen und Gefällen wie auf Strecke zwischen Würzburg - Bischofsheim - Miltenberg. Also ca. 30 Kilometer.


Bischofsheim war auch Geleitsstation für den Transport der Reichsinsignien. Stand in Frankfurt eine Kaiserkrönung an, so wurden Reichskrone, Reichsapfel, Reichszepter, Reichsschwert, Reichskreuz und Krönungsgewänder aus Nürnberg im Geleit herantransportiert. Mit Halt in Tauberbischofsheim. War die Kaiserkrönung erfolgt, wurden die Reichsinsignien auch wieder per Geleit nach Nürnberg verfrachtet. Mit Halt in Bischofsheim. Die Reichsinsignien wurden in einem sechsspännigen Kronwagen in einer Kiste, mit roter Plane bedeckt, die den Reichsadler trug, transportiert. Eine große Begleitmannschaft, darunter viele Nürnberger, die großes Interesse an der Unversehrtheit der Reichsinsignien und deren Wiederkehr nach Nürnberg hatten, schützte den Transportzug. Dazu kamen die Geleitreiter der Geleitinhaber. Also hier die kurmainzischen Geleitreiter aus Tauberbischofsheim.


HINWEIS

Lange waren die Geleitstraßen um Büscheme herum kein Stoff für eine gründliche historische Forschung. Wenn es Veröffentlichungen zum Geleitweg Würzburg - Tauberbischofsheim - Miltenberg - Frankfurt gab, dann wurde Büscheme immer ausgegrenzt. Man interessierte sich für den Streit mit Wertheim bei Steinbach, um die Chausseeplanungen Richtung Frankfurt, oder erwähnte die Geleitsäulen beim Irtenberger Forsthaus. Beim Büschemer Geleit, dem Biscofesheim Ductus gab es quasi Frageverbot, stellte keiner mehr Fragen.


Das hat sich nun gründlich geändert. Hendrik Beierstettel hat mit Feld- und Archivforschung sich den direkten Geleitstrecken um Büscheme angenommen und viele neue Erkenntnisse über den Verlauf der Geleitstraße, den Veränderungen durch die Chausseesierung gewonnen. Mancher Streckenverlauf, der wie selbstverständlich verlief, ist nun in Frage gestellt. Ein echter Gewinn für die Büschemer Stadtgeschichte. Kleine Geschichte, aber großartig ausgearbeitet und doch auch ein Stück große Geschichte. Dafür waren die Geleitwege, die durch Büscheme gingen, einfach zu wichtig.


Neubau der Geleitstraße Würzburg - Büscheme - Miltenberg Mitte des 18. Jahrhunderts


Die Geleitstraße Nürnberg - Frankfurt zwischen Würzburg - Bischofsheim - Miltenberg

 


Hendrik Beierstettel hat auch noch eine interaktive Geleitkarte erstellt, auf der sich  wunderschön die Geleitstrecke von Würzburg - Büscheme - Miltenberg nachvollziehen lässt. Mit den aufgefundenen und möglichen Alternativwegen und heute noch sichtbaren Spuren:


https://www.google.com/maps/d/u/0/edit?mid=1ZPNz4MYeEwPoJMblQqB3Vbu6OO1RppDA&usp=sharing


Die Forschungs(feld)arbeit ist noch am Laufen. Der Heimat- und Kulturverein Großrinderfeld führt geschichtliche Projekte durch, die sich dem Verlauf der Geleitwege widmen. Von Georg Hanna-Keller gibt es gleich zwei Forschungsberichte mit neuen Ergebnissen zur Geleit- und Weinstraße, insbesondere zu den noch vorhandenen Resten und möglichen Verläufen in der Landschaft. Es tut sich also einiges zu den Geleitwegen (Stand 2022).


Zum Verlauf der Geleitstraße auf Großrinderfelder Gemarkung siehe hier: Großrinderfelder Geleit und Geleit durch den Kleinen Forst


Eine deutliche topographische Spur eines alten Geleitweges, dem des nach Würzburg, ist die Hammbergshohle



Von Franz Gehrig gibt es in seiner Büschemer Stadtchronik von 1997 den Hinweis, dass der Geleitweg zeitweise durch Dienstadt Richtung Miltenberg verlaufen ist. Leider ohne jegliche Quellenangabe und zeitliche Angabe, wann dieser temporäre Verlauf gewesen ist. Ich vermute während der Zeit, in der der Hottenlochsweg als Geleitstraße zu einer Chausseestraße ausgebaut wurde. Da gibt es direkt keine Ausweichmöglichkeit. Sondern nur Ausweichnotwendigkeiten. Z. B. über den Nachtschattenweg, der eine ansonsten unverständlich imposante Hohle aufweist und früher den heute vergessenen Namen Dienstadter Weg trug. Nachtschatten




Literaturhinweis:


Hendrik Beierstettel: Neubau der Geleitstraße Würzburg - Büscheme - Miltenberg Mitte des 18. Jahrhunderts. In: https://wandertauber.wordpress.com/2020/12/10/neubau-strasse-wue-tbb-mil-18jhd/


Hendrik Beierstettel: Die Geleitstraße Nürnberg - Frankfurt zwischen Würzburg - Bischofsheim - Miltenberg. In: https://wandertauber.wordpress.com/geleitstrasse/

 

Franz Gehrig / Hermann Müller: Brückenzoll, Wege- und Geleitgeld. In: Franz Gehrig / Hermann Müller: Tauberbischofsheim. Beiträge zur Stadtchronik, 1997


Carlheinz Gräter: Götz von Berlichingen. Auf den Spuren eines abenteuerlichen Lebens, 1986


Georg Hanna-Keller: Verkehrswege und Geleitwesen im Mittelalter am Beispiel der „Nürnberger Geleitstraße“ zwischen Würzburg und Gerchsheim/Tauberbischofsheim


Georg Hanna-Keller: Die „Weinstraße“ - ein mittelalterlicher Verkehrs- und Handelsweg in Mainfranken


Wilhelm Ogiermann: Handelswege und Verkehrsverhältnisse. Hier besonders 1. Kapitel: Stadt Bischofsheim: Kreuzungspunkt der Geleitstraße, S. 336 - 343. In: Stadtverwaltung Tauberbischofsheim (Hrsg.): Tauberbischofsheim. Aus der Geschichte einer alten Amtsstadt. 1955


Hans Werner Siegel: Stadt- und Geschichtsführer Tauberbischofsheim 1990


Hans Werner Siegel: "Quecksilberbergwerk Stadtgemeinde Tauberbischofsheim" Erster Fund 1909 berechtigte zu den schönsten Hoffnungen / Doch drei Jahre später war der Traum vorbei. Zeitungsartikel Fränkische Nachrichten

 

Bernhard Sprotte: Geleit im Tauberland. Als Nürnberger Kaufleute zur Frankfurter Messe zogen. Hrsg. Historischer Verein Wertheim e.V., 1975

 

Harald Stockert: Die Kaiserkrönung 1790 und die "Schlacht von Kleinheubach" - Ein Streit um das Geleit der Reichsinsignien. In: Wertheimer Jahrbuch 1999, Wertheim 2000, Seite 87ff.